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Bundesregierung Auswärtiges Amt:
StS Dr. Sudhoff
MD Schlagintweit
VLR I Ischinger
VLR Staks

Bundespräsidialamt:
ORR Richter

Bundesministerium des Innern:
ORR‘in Jacobs

Bundesrat:
RRz.A. Prengel (Bayern)

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Anwesenheitsliste für die öffentliche Anhörung

"Befinden sich deutsche Staatsangehörige unfreiwillig und unter
menschenrechtsverletzenden Bedingungen in der Colonia Dignidad in Chile?“

am 22. Februar 1988

Sachverständige/Auskunftspersonen
Name
Baar, Hugo
Bohnau, Günter
Bossle, Lothar, Prof. Dr.
Frenz, Helmut
Gemballa, Gero
Holzheimer, H. [Unterschrift fehlt]
Hopp, Hartmut, Dr.
Kneese, Wolfgang
Packmor, Lotti
Packmor, Georg
Peymann, Friedrich
Strätling, Erich [Unterschrift fehlt]
Vogelsgesang, Wolfgang

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Vors. Vogel: Ich eröffne die heutige öffentliche Sitzung des Unterausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Wir führen heute eine Anhörung durch und haben dazu eine Reihe von Anhörpersonen geladen. Ich darf dazu sagen, daß wir kein Untersuchungsausschuß sind und daß die Damen und Herren, die wir gebeten haben, uns heute zur Verfügung zu stehen, nicht etwa in der Eigenschaft als Zeugen oder Sachverständige hier sind. Sie sind, um es technisch auszudrücken, Auskunftspersonen, die sich freiwillig zur Verfügung gestellt haben, uns Fragen zu beantworten, die wir hinsichtlich der Colonia Dignidad in Chile haben, und zwar zu dem Thema "Befinden sich deutsche Staatsangehörige unfreiwillig und unter menschenrechtsverletzenden Bedingungen in der Colonia Dignidad in Chile?“

Es gibt eine große öffentliche Diskussion über die Colonia Dignidad. Es ist uns aus eigener Kenntnis nicht möglich, festzustellen, was dort ist. Wir hoffen, durch diese öffentliche Anhörung etwas Licht in diese Angelegenheit bringen zu können.

Es sind zahlreiche Zuhörer und Zuschauer anwesend. Ich weiß aus Vorgesprächen, daß sich darunter eine ganze Anzahl von Damen und Herren befindet, die in den Fragen, über die wir hier heute miteinander verhandeln wollen, persönlich engagiert sind. Ich muß dennoch darum bitten, daß Sie den Ablauf dieser Anhörung so möglich machen, daß wir in der gesetzten Zeit, die uns zur Verfügung steht, also bis 14 Uhr, durchkommen. Ich muß Sie deshalb sehr herzlich bitten, von Beifallskundgebungen oder von Mißfallenskundgebungen und ähnlichem abzusehen. Ich weiß, daß das manchmal schwierig ist, wenn man selber emotional engagiert ist. Aber ich muß sehr darum bitten, daß dieses möglich gemacht wird und daß Sie sich auch daran halten. Ich will weiteres dazu im Augenblick nicht sagen.

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Ich darf dann zunächst einmal mitteilen, wer als Anhörperson eingeladen und gebeten worden ist, uns zur Verfügung zu stehen, und wer anwesend ist. Wir haben gebeten: Herrn Günter Bohnau aus Siegburg, Herrn Helmut Frenz aus Ammersbek, Herrn Wolfgang Kneese aus Hamburg, Herrn Gero Gemballa aus Köln, Herrn Hugo Baar aus Köln, Herrn Friedrich Peymann aus Ottersberg, Herrn und Frau Georg und Lotti Packmor aus Kanada. Ihnen darf ich besonders dafür danken, daß Sie die weite und beschwerliche Reise von Kanada hierher gemacht haben, um uns heute zur Verfügung. zu stehen. Wir haben einen Vertreter der Privaten SocialenMission in Siegburg gebeten; ich werde dazu gleich noch etwas sagen. Wir haben weiterhin von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik den früheren Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Chile, Herrn Erich Strätling, gebeten, ferner Herrn Professor Lothar Bossle aus Würzburg, Herrn Stadtrat Wolfgang Vogelsgesang aus München und Herrn Botschafter Holzheimer, den stellvertretenden Generalsekretär der WEU aus London.

Sie werden vielleicht festgestellt haben, daß sowohl Herr Holzheimer als auch Herr Strätling nicht anwesend sind. Dazu möchte ich Ihnen etwas mitteilen. Frau Jordan, die Mitarbeiterin des Unteraussohusses, hat einen Vermerk über ein Telefongespräch angefertigt. Ich lese diesen Vermerk einfach vor:

Durch einen Anruf beim Auswärtigen Amt am 17. Februar 1988 erfuhr das
Sekretariat des Unterausachusses mehr oder weniger zufällig, daß Herr Holzheimer
an der Anhörung nicht teilnehmen wird. Anläßlich vorangegangener Telefongespräche mit dem Sekretariat hatte er seine Teilnahme zugesagt. Ein sofortiger Anruf bei Herrn Holzheimer ergab, daß die Auskunft des AA zutreffend war. Herr Holzheimer begründete sein Fernbleiben damit, daß er selbst die Colonia Dignidad nie besucht habe und sein Wissen nur aus zweiter und dritter Hand stamme. Es sei

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daher nicht sinnvoll, wenn er zum Anhörungstermin komme.


Ich mißbillige ausdrücklich - dies möchte ich hier sagen -, daß Herr Botschafter Holzheimer, den ich schriftlich gebeten habe, uns zur Verfügung zu stehen, dem Vorsitzenden des Unterausschusses darauf nicht geantwortet hat. Es steht ihn natürlich völlig frei, ob er hier anwesend ist oder nicht. Ich will das, was er als Begründung für sein Fernbleiben gibt, auch gar nicht werten; aber ich halte es für ein Gebot zumindest der Höflichkeit, daß man, wenn man einen Brief mit einer Einladung bekommt, darauf antwortet.

Herr Botschafter a. D. Strätling hat mir folgenden Brief geschrieben und mich gebeten, diesen Brief hier vorzulesen. Der Brief datiert vom 18. Februar 1988.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, ich bestätige den Eingang Ihrer Einladung
vom 25. Januar 1988, vor dem Unterausschuß für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. am 22. Februar 1988
bei einer Anhörung gem. § 70 GO des Bundestages als Auskunftsperson zur
Verfügung zu stehen. Nach eingehender Erörterung der mit dieser Einladung
verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Problematik mit meinen Anwälten
bedauere ich sehr, Herr Vorsitzender, Ihrer Einladung aus den nachfolgenden
Gründen nicht Folge leisten zu können:

Erstens. Das Mitglied Ihres Unterausschusses, Herr Abgeordneter
Freimut Duve (SPD), hat mich in einem Schreiben an den Präsidenten der Deutschen
Gesellschaft für Auswärtige Politik der Komplizenschaft mit von ihm der
Menschenrechtsverletzungen verdächtigten Personen der Colonia Dignidad
beschuldigt und meine Abberufung als Geschäftsführender stellvertretender
Präsident der Deutschen

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Gesellschaft für Auswärtige Politik vorgeschlagen. Meine Antwort auf diese Anwürfe ist Ihnen, Herr Vorsitzender, bekannt und ich habe keine Bedenken, sie den Mitgliedern des Unterausschusses ebenfalls zur Kenntnis zu bringen. - Ich möchte Sie ferner davon in Kenntnis setzen, daß ich durch die Rechtsanwaltssozietät Dr. Claessen, Haupt und Kuhl am 1. Februar 1988 bei der Staatsanwaltschaft Bonn Strafanzeige gegen Herrn Abgeordneten Duve wegen Verdachts der üblen Nachrede und Verleumdung gegen eine Person des öffentlichen Lebens (SS 185 ff., 187 a StGB) erstattet habe. Ferner ist eine zivilrechtliche Klage gegen Herrn Duve in Vorbereitung. Zweitens. Das stellvertretende Mitglied Ihres Unterausschusses, Herr Abgeordneter Waltemathe (SPD) , hat am 6. Januar 1988 "Schriftliche Fragen" an die Bundesregierung gerichtet, die sich ebenfalls auf meine Botschaftertätigkeit in Chile beziehen. Darüber hinaus hat Herr Abgeordneter Waltemathe in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Chile der SPD-Bundestagsfraktion am 22. Januar 1988 die "öffentliche Anhörung zur Deutschen Siedlung ,Colonia Dignidad‘ in Chile“ angekündigt und wie folgt kommentiert. "Damit ist zum ersten Male der Deutsche Bundestag offiziell mit Angelegenheiten befaßt, die jahrelang zwar immer wieder in die Schlagzeilen gerieten, aber nie zu parlamentarischen fraktionsübergreifenden Schritten geführten hatten.“

Drittens. Die Art und Weise der Ankündigung der "Anhörung“ durch den Vorsitzenden der SPD-Arbeitsgruppe Chile, Herrn Abgeordneten Waltemathe - und nicht durch das Büro des Unterausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe - legt den zwingenden Schluß nahe, daß über das vom

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Auswärtigen Ausschuß beschlossene Anhörungsthema hinaus eine Verknüpfung
mit den unter Ziffern 1 und 2 erwähnten Vorwürfen gegen mich nicht
ausgeschlossen werden kann, ja vielleicht sogar beabsichtigt ist.

Für diese Annahme spricht auch der Umstand, daß der Herrn Abgeordneten
Duve vertretende Anwalt Dr. Neumann in einem Schreiben an meinen Anwalt Dr.
Claessen vom 1. Februar 1988 die Bitte um Fristverlängerung für eine Äußerung
mit der Bemerkung versehen hat "... gestatten uns aber bereits jetzt schon
darauf hinzuweisen, daß der Unterausschuß für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe sich am 22. Februar 1988 in einer öffentlichen Anhörung mit der
Problematik der ,Colonia Dignidad‘ befassen wird. In dieser Anhörung sollen auch
zwei Diplomaten, die als Botschafter in Chile mit Angelegenheiten im
Zusammenhang mit der ,Colonia Dignidad‘ befaßt waren, angehört werden“ - Erich
Strätling.

Meine Damen und Herren, ich habe das ohne die Absicht irgendeiner Kommentierung vorgelesen. Auch Herrn Strätling stand es natürlich völlig frei, uns zur Verfügung zu stehen. Er hat sich entschlossen, heute nicht zur Verfügung zu stehen, und er hat das in diesem Brief begründet.

Ich bitte sehr um Nachsicht; soeben wird mir die Kopie eines Briefes überreicht, den Herr Botschafter Holzheimer unter dem 9. Februar 1988 an mich abgeschickt haben soll. Ich muß dazu sagen, der Brief hat mich bisher nicht erreicht. Aber ich möchte dann doch der Vollständigkeit halber auch diese Kopie mit allem Vorbehalt verlesen:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, haben Sie verbindlichen Dank für Ihr Schreiben
vom 25. Januar 1988. Ich entnehme der Anlage zu diesem Schreiben, daß das Thema der Anhörung wie folgt lautet: "Befinden sich deutsche Staatsangehörige
unfreiwillig und unter menschenrechts-

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verletzenden Bedingungen in der Colonia Dignidad in Chile?“ Dies war mir
bisher unbekannt. Da ich die Colonia Dignidad nie selbst besucht habe, kann ich
zu diesem speziellen Thema keine auf eigenen Wahrnehmungen beruhenden Angaben machen. Die von Ihnen eingeladenen Familien Packmor und Baar dürften am ehesten zu verwertbaren Aussagen in der Lage sein.

Sofern ich aus mir zugänglichen Unterlagen und Aussagen Dritter
Schlüsse gezogen habe, so sind diese in meiner Berichterstattung an das
Auswärtige Amt enthalten. Uber diese Berichterstattung hat das Auswärtige Amt
dem Bundestag Auskunft gegeben und wird dies zweifellos auch weiterhin tun. Für
mich ist unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen vor dem Unterausschuß
nicht sinnvoll. Mit freundlichen Grüßen.

Dies habe ich Ihnen der Vollständigkeit halber ebenfalls mitgeteilt.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen dann noch folgendes zur Kenntnis zu geben. Mich hat ein Brief der Rechtsanwälte Norbert Gatzweiler und Heinz-Jürgen Kunz aus Köln vom 16. Februar 1988 erreicht, in dem es heißt:

Sehr geehrter Herr Vogel, hiermit zeige ich Ihnen an, daß mich die Private
Sociale Mission, vertreten durch Herrn Hans-Jürgen Blanck, mit der Wahrnehmung
ihrer Interessen beauftragt hat. Gerne nimmt meine Mandantschaft Ihre Einladung
zur Anhörung am 22. Februar 1988 an. Ich füge in der Anlage eine Vollmacht des
Vorsitzenden der Freien Sociale,Mission und stellvertretenden Vorsitzenden der
Sociedad Benefactora y Educacional Dignidad, Herrn Hans-Jürgen Blanck, bei, der
Herrn Dr. Hartmut Hopp bevollmächtigt hat,

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- ich glaube, Herr Dr. Hopp ist anwesend -

an seiner Stelle an dieser Anhörung teilzunehmen. Wie sich aus der Vollmacht
ergibt, ist die Ausstellung eines neuen Reisepasses für Herrn Blanck durch die
zuständige Konsularabteilung der Deutschen Botschaft in Santiago de Chile in
unvertretbarer Weise verzögert worden. Herr Blanck hätte gerne selbst an der
Anhörung teilgenommen.

Ich werde mir erlauben, vor dem 22. Februar 1988
nachzufragen, ob an der Teilnahme von Herrn Dr. Hopp wegen der dargelegten
Verhinderung von Herrn Blanck Bedenken Ihrerseits bestehen. Der Unterzeichnete
bzw. ein Mitglied unserer Kanzlei wird Herrn Dr. Hopp zur Anhörung begleiten.

Ich möchte dazu sagen, daß ich dieser Bitte zugestimmt habe, an Stelle von Herrn Blanck Herrn Hopp heute hier zu hören.

Es kommen dann die Vollmacht von Herrn Blanck und die Mitteilung der Rechtsanwälte Gatzweiler und Kunz, daß Herr Dr. Hopp von Herrn Rechtsanwalt Gottfried Reims aus Köln, der ebenfalls anwesend ist, sowie von Herrn Rechtsanwalt Gatzweiler begleitet werde.

(Zuruf: Er wird später kommen!)

- Er wird etwa um 12.30 Uhr kommen. Ich bitte um Nachsicht; auch das steht hier.

Das ist das, meine Damen und Herren, was ich Ihnen vorab mitteilen mußte, damit deutlich wird, warum zwei von uns gebetene Personen überhaupt nicht anwesend sind und eine von uns gebetene Anhörperson durch eine andere Anhörperson vertreten wird.

Abg. Waltemathe (SPD): Ich will erstens nicht bewerten, was Herr Strätling geschrieben hat. Ich will nur mitteilen, daß das, was ich gefragt habe, nach den Richtlinien des Bundestages erfolgt ist und insoweit öffentlich ist und

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in den Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Fragen von Abgeordneten auch abgedruckt wird.

Zweitens. Es hat nach meiner Kenntnis am 17. Februar 1988 eine Besprechung im Auswärtigen Amt stattgefunden. Ich weiß nicht, ob nicht auf Grund dieser Besprechung die beiden Exbotschafter nun heute nicht anwesend sind, nachdem sie beide zugesagt hatten zu kommen. Auch das will ich weiter nicht werten. Ich will aber zu Protokoll feststellen, daß Beamte oder pensionierte Beamte sehr wohl so viel Achtung vor dem Parlament haben sollten, daß sie einer Anhörung beiwohnen könnten, es sei denn, daß die Aussagegenehmigung vom Auswärtigen Amt verweigert worden ist; das bliebe festzustellen.

Drittens. Wir sind kein Untersuchungsausschuß. Ich bin etwas verwundert darüber, daß eine - ich sage jetzt einmal in Anführungszeichen - "Partei“ hier gleich mit Anwälten auftritt. Es geht hier nicht um rechtsförmliche Verfahren.

Abg. Duve (SPD): Ich habe Veranlassung, auf das Schreiben von Herrn Strätling kurz einzugehen. Ich habe am 18. Dezember an den Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik geschrieben - anders, als in dem eben verlesenen Brief von Herrn Strätling dargestellt wurde-:

In der letzten Sitzung des Auswärtigen Ausschusses am 9. Dezember 1987 ist über
die weitere parlamentarische Vorgehensweise in dieser Sache beraten worden. Wir
werden uns im Unterausschuß Menschenrechte und Humanitäre Hilfe sehr intensiv
mit den Vorgängen in der Colonia Dignidad befassen. Ich hoffe, daß wir auch dazu
kommen, einzelne Zeugen, soweit sie hier in der Bundesrepublik zur Verfügung
stehen, anzuhören. Im Laufe der Sitzung wurde das Verhalten des ehemaligen
Botschafters Erich Strätling von einigen Kollegen und von mir selbst scharf
kritisiert. Es wird zu prüfen sein, ob hier

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möglicherweise schwere kriminelle Handlungen gedeckt oder indirekt
unterstützt worden sind. Wir werden diese Frage im Unterausschuß eingehend zu
erörtern haben...

Ich möchte aus diesem Grunde das Präsidium der Deutschen Gesellschaft
für Auswärtige Politik bitten, nach einem geeigneten und dem Ansehen der
Gesellschaft angemessenen Weg zu suchen, um die Gesellschaft aus
Fragestellungen, die mit der Colonia Dignidad zusammenhängen, herauszuhalten.
Ich halte es für unumgänglich, daß die Amtsgeschäfte des derzeit
geschäftsführenden stellvertretenden Präsidenten Erich Strätling bis zur Klärung
der anstehenden Fragen ruhen, und bitte Sie, eine entsprechende Entscheidung
herbeizuführen.

Dies ist der Kern meiner Bitte an die Gesellschaft. Ich bedauere, daß Herr Strätling und die Gesellschaft diesen Weg nicht gefunden haben. Diese Gesellschaft steht für mehr in der deutschen Außenpolitik als für die Erörterung solcher biographischer Details einzelner ihrer Mitglieder.

Vors. Vogel: Ich würde vorschlagen, daß wir auch diese beiden Erklärungen ohne eine Bewertung und ohne Beantwortung einfach so entgegennehmen; denn uns geht es ja heute um etwas anderes. Uns geht es in erster Linie darum, durch die Damen und Herren, die wir gebeten haben, uns zur Verfügung zu stehen, ein eigenes Bild über das zu gewinnen, was nun tatsächlich in der Colonia Dignidad in Chile vor sich geht. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir die Zeit jetzt nicht länger mit Präliminarien zubringen würden, sondern die uns zur Verfügung stehende Zeit möglichst nutzen würden, um diejenigen, die wir gebeten haben, zu uns zu kommen, zu Wort kommen zu lassen.

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Abg. Frau Olms (GRÜNE): Ich möchte noch einmal nachhaken.

Herr Waltemathe hatte ja schon die Frage gestellt, ob es vom Auswärtigen Amt eine Anweisung oder eine Empfehlung für die beiden Exbotschafter gebe, nicht auszusagen. Ich denke, wir sollten doch noch einen Vertreter des Auswärtigen Amtes hier kurz dazu hören.

Vors. Vogel: Frau Kollegin Olms, der größte Teil derer, die wir gebeten haben, ist anwesend. Mit allen anderen Fragen, die sich sonst stellen, sollten wir uns beschäftigen, wenn wir zur nächsten Sitzung zusammenkommen; wir sollten das nicht hier und heute tun.

Ich schlage folgendes Verfahren vor und wäre sehr dankbar, wenn Sie damit einverstanden wären. Wir sollten zunächst denen, die wir gebeten haben, uns zur Verfügung zu stehen, Gelegenheit geben, 10 bis 15 Minuten lang - aber bitte nicht mehr! - uns das zu sagen, was Sie uns aus eigenem Wissen zu der Frage, die wir ihnen mitgeteilt haben, sagen können. Uns interessiert nicht, was Sie irgendwo gehört haben, sondern das, was sie selber gesehen haben, was Sie selber wahrgenommen haben und was Sie selber gehört haben; das interessiert uns in allererster Linie. Ich wäre Ihnen auch sehr dankbar, wenn Sie uns dann jeweils dazu sagen würden, wie Sie die Erkenntnisse, die Sie uns hier mitteilen, gewonnen haben.

Mein Vorschlag an die Mitglieder des Ausschusses geht dahin, daß wir zunächst die Damen und Herren nacheinander hören und daß wir dann sehr genau absehen, welche Zeit uns noch zu weiteren Fragen zur Verfügung steht. Ich könnte mir vorstellen, daß uns, wenn sie sich an die 10 bis 15 Minuten halten, noch eine Menge Zeit bis 14 Uhr zur Verfügung stehen wird. Ich muß allerdings darauf aufmerksam machen, daß ich pünktlich um 14 Uhr hier Schluß machen muß, weil ich dann an einer Sitzung des 2. Untersuchungs- ausschusses als stellvertretender Vorsitzender teilnehmen muß. Außerdem haben andere Mitglieder des Unterausschusses im vorhinein mitgeteilt, daß sie ebenfalls nur bis 14 Uhr zur Verfügung stehen können.

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Ich darf, wenn Sie damit einverstanden sind, dann mit der Anhörung von Herrn Kneese beginnen.

Herr Kneese, Sie sind, wenn ich das bei Vorerörterungen richtig mitbekommen habe, in der Colonia Dignidad gewesen und etwa 1966 aus der Colonia Dignidad weggegangen. Ich darf Sie herzlich bitten, zu versuchen, uns Ihre Erlebnisse in 10 bis längstens 15 Minuten - je kürzer,um so besser -vorzutragen. Vielleicht sagen Sie zunächst ein bißchen zu Ihrer Person, damit wir wissen, mit wem wir es zu tun haben.

Kneese: Ich möchte erst einmal die Problematik mit meinem Nachnamen erklären. Ich habe bei meiner Eheschließung den Namen meiner Gattin angenommen und habe zu der Zeit, als ich aus Chile geflohen bin und in den Jahren danach, den Namen Ernst-Wolfgang Müller getragen. Ich möchte das einmal erläutern, damit das nicht zu Verwechslungen führt.

Zu Ihrer Frage kann ich sagen, daß ich am 25. und 26. Juli 1961 von Deutschland nach Chile geflogen bin in der Hoffnung, die Erfüllung der Versprechen, die man uns als Jugendlichen in Heide gemacht hat, dort vorzufinden. Ich bin leider bitter enttäuscht gewesen, daß die Versprechungen nicht eingehalten worden sind was die Aufenthaltsmöglich- keit, die Ausbildung usw., betraf. Ich fühlte mich auf Grund dessen hinters Licht geführt und habe im Oktober 1962 die erste Flucht unternommen, die leider nur ein Versuch geblieben ist. Die zweite Flucht aus der Siedlung habe ich am 25. Oktober 1963 unternommen mit dem Ergebnis, daß auch diese gescheitert ist. Meine letzte Flucht habe ich am 1. März 1966 gegen 20.30 Uhr unternommen.

Diese drei Fluchtversuche, die das Ergebnis hatten, daß ich die Sekte endlich verlassen konnte, liegen darin begründet, daß die Menschenrechte in der Colonia Dignidad zu meiner Zeit mit Füßen getreten wurden. Ich will das einmal dadurch untermauern, daß ich Ihnen ein Zitat von einem ehemaligen Schulfreund von Paul Schäfer, der mir damals in der bedrängten Zeit geholfen hat, mich gegen die Sekte zu wehren, aus dem Jahre 1966 verlese - ich zitiere -:

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"Die Würde des Menschen wurde mit Füßen getreten. Man nannte es Demut, wenn
man es ertrug, zu Unrecht einer Schuld bezichtigt zu werden. Man nannte es
Hochmut, wenn man sein Recht forderte, und geisteskrank wurde der bezeichnet,
der Schäfer einer Schuld überführte oder offen über Mißstände klagte.“

Das war ein Zitat von Willi Georg vom 21. Juli 1966. Ich selber habe mich den Anweisungen und dem Terrorregime von Schäfer nicht beugen wollen und habe genau das, was Herr Georg in seinem eben zitierten Satz anspricht, am eigenen Leibe erfahren. Man hat versucht, meinen Willen zu brechen, indem man mich über Jahre hinweg auf gröbste Art und Weise geschlagen hat. Man hat mir in jeder Weise Mißachtung entgegengebracht; man hat mich in bestimmte Kleider gesteckt, um mich von den anderen zu unterscheiden; man hat mir die Haare geschnitten; man hat mich so behandelt, daß ich - so möchte ich es einmal sagen - den Eindruck machen mußte, daß ich ein Geisteskranker sei.

Es gibt tatsächlich Leute, die in der Sekte lebten und die der Meinung gewesen sind, daß ich wirklich einer Behandlung bedurfte. Diese Behandlung habe ich nicht gewünscht; sie ist auch mit keinem Facharzt besprochen worden. Ich bin vielmehr dazu gezwungen worden. Bei einer Weigerung ist mir körperlicher Schaden zugefügt worden, in der Form, daß ich auf brutalste Weise geschlagen und gezwungen wurde, die Tabletten, die ich nicht einnehmen wollte, einzunehmen. Diese Tabletten habe ich über ein Jahr genommen; es müssen - ich habe es einmal durchgezählt - ungefähr 500 gewesen sein. Als man mich dabei erwischte, daß ich die Tabletten nicht nehmen wollte, ist man zu gröberen Maßnahmen übergegangen und hat mir Spritzen verabreicht, die eine wesentlich höhere Dosierung hatten, um meinen Willen zu brechen und um mich kampfunfähig zu machen.

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All diese Dinge haben mit sozialer und christlicher Pflege des Kindes überhaupt nichts zu tun. Da herrscht ein Unterdrückungssystem, das darauf hinausläuft, daß nur Herr Schäfer seinen Willen durchsetzt und daß derjenige, der nicht pariert, in der Form, wie ich es jetzt hier geschildert habe, so lange behandelt wird, bis er - ich sage in dem Fall immer - parallel gebürstet wird.
Als ich dann endlich nach unmenschlichen Strapazen die dritte Flucht überlebt hatte und mich in Santiago aufhielt, hat die Sociale Christliche Gesellschaft, die sich ja mit dem schönen Namen "Dignidad“ schmückt, versucht, mit 15 Leuten in das Gebäude einzudringen, in dem ich mich in Santiago im Jahre 1966 versteckt hatte. Bei diesem Anschlag auf das Altersheim, das damals von Paul Katzy geleitet wurde, sind zwei Personen festgenommen worden. Wenn ich mich richtig erinnere, sind das Herr Schnellenkamp und Herr Schreiber gewesen.

Anschließend hat man mir mehrere Prozesse gemacht. Ich will einmal sagen, man hat mir für die Arbeit, die ich in dieser Zeit dort verrichtet habe, nicht einen einzigen Pfennig gezahlt; man hat für mich keine Sozialversicherung gezahlt. Im Gegenteil: Man hat mir vorgeworfen,ein Pferd gestohlen zu haben. Denn ich habe zu meiner Flucht ein Pferd benutzt, weil der nächste Ort 40 bis 50 km von der Siedlung entfernt war. Ich selber habe aus meiner Sicht den Anspruch gestellt, daß ich nach vier Jahren härtester körperlicher Arbeit, ohne ein Wochenende und ohne einen Feiertag genossen zu haben, auch das Anrecht hätte, ein Pferd verdient zu haben. Außerdem habe ich das Pferd nicht auf ewige Zeit an mich genommen, sondern habe es später wieder in der Kolonie vorgefunden, so daß der Tatbestand des Diebstahls insofern ja wohl nicht ganz gegeben gewesen sein kann.
Dann habe ich außerdem zwei Prozesse von einem Herrn Schmidt, der ja auch zu dem Direktorium gehört, und zwar wegen Verleumdung und übler Nachrede, und auch einen Prozeß mit gleichlautender Anklage von Frau Dr. Gisela Seewald, die in meiner Zeit dafür verantwortlich gewesen ist, daß

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ich mit diesen Medikamenten malträtiert worden bin, an den Hals bekommen; das sage ich einmal so salopp.

Ich darf bei dieser ganzen Geschichte natürlich auch nicht den Fall meiner Mutter vergessen, die heute leider nicht anwesend ist und, wenn sie geladen worden wäre, dieser Strapaze einer solchen Anhörung auch überhaupt nicht standhalten könnte. Meine Mutter ist in der Zeit vom August 1963 bis zum 5. April 1966 von dieser ach so sozialen und für das Recht des Kindes, des streunenden Kindes und was weiß ich noch alles eintretenden Gesellschaft, in einem Raum eingesperrt gewesen, in dem sie sich mehrerer Elektroschockbehandlungen unterziehen mußte - ebenfalls gegen ihren Willen. Selbst wenn man dieser Frau nicht ganz glauben will, daß das passiert ist, kann sie nachweislich heute noch die verbrannten Schläfen vorweisen, die auf eine unsachgemäße Behandlung mit Elektroschocks zurückzuführen sind.

Ich möchte dann zu den Prozessen noch etwas sagen. Die Urteile gegen mich sind in meiner Abwesenheit verkündet worden. Ich konnte die Prozesse nicht gewinnen. Ich konnte die Prozesse deshalb nicht gewinnen, weil ein Herr Heinz Kuhn, der sich ein paar Jahre nach meiner Flucht ebenfalls von der Sekte getrennt hat, seinerzeit von Schäfer beauftragt gewesen ist - so hat er hier in Deutschland dem WDR in die Kamera berichtet -, meine Prozesse zu manipulieren. "Manipulieren“ heißt in diesem Zusammenhang: Die Dolmetscherin, die meine Aussagen aus der deutschen Sprache ins Spanische übersetzen sollte, sollte diese zu meinem Nachteil verbiegen, so daß ich auf Grund einer falschen Berichterstattung und einer falschen Übersetzung nie in die Lage versetzt worden wäre, selbst wenn ich hundertmal die Wahrheit gesagt hätte, irgendeinen Prozeß zu gewinnen. Außerdem hat dieser Mann ausgesagt, daß er von Schäfer beauftragt worden sei, rechtzeitig an Unterlagen und Gerichtsakten heranzukommen, damit die Gegenseite vor den anderen Akteneinsicht nehmen konnte, um sich rechtzeitig mit ihren sehr guten Anwälten - so muß ich sagen; ich hatte ja nur einen Pflichtverteidiger auf den Prozeß vorzubereiten.

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Der Prozeß wegen des Pferdediebstahls ist - so will ich einmal sagen - wegen Nichtigkeit niedergeschlagen worden. In den beiden anderen Fällen bin ich in Abwesenheit verurteilt worden. Ich muß immer davon ausgehen, daß ich ja im Grunde genommen nur die Wahrheit gesagt habe, das, was ich drüben erlebt habe. Das, was ich damals vor ungefähr 20 Jahren vor der Presse ausgesagt habe, hat mir in Chile in zwei Fällen ein Urteil über jeweils fünf Jahre und einen Tag und eine Geldstrafe von 50 000 Escudos eingebracht. Es ist die gleiche Aussage, die ich vor 20 Jahren gemacht habe; ich mache sie heute schon wieder.

Ich will dann sagen, daß ich mich der Verurteilung entzogen habe, weil ich gemerkt habe, daß diese Dinge allmählich nicht mehr mit rechten Dingen zugingen, und bin auch auf Anraten der deutschen Botschaft ermutigt worden, das Land auf illegale Art und Weise zu verlassen. Ich habe dann meinen Rückflug von Buenos Aires in Argentinien nach Deutschland fortgesetzt. Ich weiß es nicht mehr ganz genau, aber ich glaube, daß mein Abflug von Buenos Aires nach Frankfurt am 5. April 1966 erfolgt ist.

Das ist also in ganz kurzen Zügen und unter dem Druck der Zeit und unter der Maßgabe, daß auch die anderen noch etwas sagen können, eine ganz kleine Auswahl von den Dingen, die ich Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung schildern kann. Ich kann Ihnen nach wie vor sagen: In den Jahren nach meiner Flucht sind auch andere Leute geflohen, z. B. Studienkollegen von Dr. Hartmut Hopp, die mit ihm in Amerika gewesen sind,um zu studieren. Da ist ein Hussein Siam geflohen; da ist ein Herr Günther Reiß geflohen, der sich heute in Kalifornien aufhält; es sind mehrere Leute geflohen:

die Familie Packmor, die Familie Baar und andere. Ich bin heute nach wie vor davon überzeugt, daß die Menschenrechte in der Colonia Dignidad mit Füßen getreten werden. Die Tatsache, daß ich diese Dinge am eigenen Leib erlebt habe, hat mich dazu geführt, den Menschen, die seit 20 Jahren dem

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Terrorregime von Paul Schäfer ausgesetzt sind, die Leiden dadurch zu verkürzen, daß wir uns bemühen, dieses Unterdrückungssystem aufzulösen; darauf richtet sich unsere Anstrengung. Deshalb haben wir uns hier in Deutschland zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, damit die Einzelkämpfe aufhören, die ja nie zu irgendeinem positiven Ergebnis geführt haben. Allein die Kenntnis der Dinge, die ich erlebt habe, treibt mich heute an, den Menschen zu helfen, weil ich mir in meiner regen Phantasie einfach nicht vorstellen kann, welches Leid diesen Menschen in den letzten 20 Jahren im einzelnen zugefügt worden ist.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß im Anschluß an diese Sitzung um 14.30 Uhr im Restaurant Tulpenfeld eine Pressekonferenz dieser Organisation stattfindet.

Vors. Vogel: Mir ist ein fast unverzeihlicher Fehler unterlaufen. Wir haben heute ein lebhaftes Interesse von Damen und Herren der Medien zu verzeichnen. Ich darf Sie alle herzlich begrüßen und hoffe, daß Sie mir diese späte Begrüßung verzeihen.

Baar: Aus meinen Kenntnissen und auf Grund meiner persönlichen Erlebnisse kann ich die Frage, ob sich deutsche Staatsangehörige unfreiwillig und unter menschenrechtsverletzenden Bedingungen in der Colonia Dignidad befinden, nur mit Ja beantworten. Bevor ich dieses Ja im einzelnen begründe und Ihre Fragen, soweit es mir möglich ist, beantworte, erlauben Sie mir bitte ein kurzes persönliches Wort.

Ich bin Ihrer Einladung heute sehr bewußt gefolgt, obwohl ich natürlich nicht nur ein Zeuge bin, sondern mich inzwischen als erheblich mitschuldig empfinde. Während meines Gemeindedienstes als Prediger entstanden durch meine Tätigkeit Spaltungen in den Gemeinden und Trennungen in Familien und Ehen

(Vors. Vogel: In der Bundesrepublik?)

- in der Bundesrepublik -, die sehr verheerende Folgen hatten.

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Ich bin mitschuldig daran, daß viele von denen, die heute in Dignidad sind, dorthin gegangen sind.

Als ich im Dezember 1984 aus Dignidad floh, ohne daß ich meiner Frau, unseren Kindern oder irgend jemandem sonst etwas davon sagen konnte, brachte mich die Erkenntnis meiner Schuld an den Rand des Zusammenbruchs. Wenn ich nicht vor Gott Gnade und Vergebung in diesem Zusammenbruch erlebt hätte, säße ich heute hier nicht vor Ihnen. Mir ist aber ganz klar, daß dies nicht bedeuten kann, daß meine Schuld den Betroffenen und vielleicht gar dem Gesetz gegenüber damit gemildert ist.

Deshalb möchte ich gerne mit jedem Betroffenen und jedem Leidtragenden sprechen und den zuständigen Behörden weiterhin für jede Auskunft und Information zur Verfügung stehen, um mit allen meinen Kräften dazu beizutragen, wo und wie immer wiedergutzumachen. Ich kann nichts ungeschehen machen; ich bitte aber alle Betroffenen von ganzem Herzen um Vergebung, wobei ich hinzufügen möchte, daß ich tiefes Verständnis für jeden habe, der weder entschuldigen noch vergeben kann.

Nun zu der Begründung. Die Unfreiheit beginnt für jeden schon damit, daß die deutschen Pässe und die chilenischen Ausweise von allen im Büro unter Verschluß gehalten werden. Niemand hat Geld, um dann, wenn ihm eine Flucht gelingt, den Bus oder was auch immer bezahlen zu können. Bei den Jugendlichen ist es so, daß auch ihre Kleider in der Nähstube in besonderen Schränken aufbewahrt werden und sie die Arbeitskleidung und das sogenannte Feierabendzeug immer nur am Wochenende bekommen. Wenn also jemand flüchten möchte, hat er nicht einmal seine Sachen in seinem Zimmer.

Hinzu kommen vor allem auch die äußeren Umstände: Die Zäune, die angeblich zum Schutz vor Kommunisten, Sozialisten und anderen uns nicht Wohlgesonnenen errichtet worden sind, die Stolperdrähte innerhalb dieser Abzäunung - inzwischen ist dieses System verbessert worden

(Abg. Waltemathe (SPD): Elektronisch!)

- elektronisch -, Schäferhunde, die für die Spurensuche sehr

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gut ausgebildet sind, Spezialfahrzeuge, die sich dann, wenn irgendwo ein Stolperdraht angezeigt hat, daß da etwas passiert ist, sofort in Bewegung setzen. Rund um die Uhr befindet sich neben dem Überwachungsraum eine Wache. Sie schlafen in ihrer Kleidung und werden schnell geweckt. Einer von diesen Wachhabenden ist immer gleichzeitig einer, der einen Schäferhund bei sich hat, der dann mit auf den Wagen springt. Diese Wache ist bewaffnet; zu der Frage der Bewaffnung komme ich gleich noch einmal. Die Fahrzeuge sind in unserer Werkstatt sehr geräuscharm gemacht und mit Infrarot ausgestattet worden, so daß sie im Dunkeln schnell hinterherjagen können. Sie haben außerdem entsprechende Funkgeräte und können mehr Leute verständigen, wenn ein besonderer Alarm vorliegt.

Stichwort Waffen: Nachdem in der letzten Ausgabe des "Stern“ Herr Gemballa das Stichwort nannte, wenn auch nicht ganz zutreffend, möchte ich auch hierzu in aller Freiheit folgendes erklären: Ich habe niemals eine Verbindung mit dem Waffenhändler Mertins im Blick auf Waffenkauf oder ähnliches gehabt. Ich habe ihn in Chile bzw. 1980 hier in Deutschland erst kennengelernt, und während meiner Tätigkeit bis 1975, als ich nach Chile gerufen wurde, hatte ich keine Verbindung mit ihm. Aber ich habe auf dem Schwarzmarkt -Sie werden verstehen, daß ich weder Ort noch Namen nenne -1970/1971, nachdem ich im September 1970 von Schäfer zu einer Besprechung nach Chile gerufen worden war und von ihm Dollar in bar für Waffenkäufe mitbekommen hatte, Pistolen, einige Gewehre, zwei Maschinengewehre und einige Maschinenpistolen gekauft und sie ebenso schwarz zusammen mit unseren sogenannten karitativen Sendungen nach Chile geschafft; das war während der Zeit der Regierung Allendes.

Als nächstes möchte ich den Punkt Flucht streifen. Ich habe versucht, zusammenzählen, wieviele Namen mir von solchen bekannt sind, die geflohen sind bzw. es versucht haben. Ich kam auf 20. Aber ich greife jetzt nur einige wenige heraus, und zwar solche Fälle, die ich miterlebt habe.

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Gerhard Laube - im Alter von Dr. Hopp - ist eines Tages plötzlich verschwunden gewesen, und die Schäferhunde, die eingesetzt wurden, nahmen dann seine Spur auf. Er wurde wieder zurückgebracht. Wir saßen in der kleinen Küche. Vorher hatte Schäfer - dann läuft ja jede Verständigung per Funk -darauf hingewiesen, sie sollten achtgeben, es könne sein, daß er seine Pistole bei sich habe und daß es zu Schießereien komme. Dazu kam es nicht. Gerhard Laube wurde zurückgebracht. Es fand ein kurzes freundschaftliches Gespräch statt.-Eine Zwischenbemerkung an dieser Stelle: Es ist ganz unterschiedlich, wie derjenige, der geflüchtet ist und zurückgeholt wird, behandelt wird: der eine mit größter Freundlichkeit, als sei überhaupt nichts, und der andere kommt gleich ins Krankenhaus. Aber eines haben sie alle gemeinsam: Von da ab sind sie zunächst einmal Beschattete, d. h. es wird ihnen einer zugeordnet, der immer achtgibt - während der Arbeitszeit und bei allem, was auch geschieht -, wo der Betreffende sich aufhält, damit er nicht womöglich einen zweiten Fluchtversuch unternimmt.

Als nächstes möchte ich Alfred Matthusen nennen, der zur Zeit in Deutschland die Sache leitet. Alfred Matthusen hat in Santiago viele Jahre die Einkäufe in unserem Büro geleitet. Eines Tages ließ er seinen Wagen stehen, nachdem er alles sorgfältig vorbereitet hatte, stieg in eine spanische Maschine und flog nach Madrid. Ich ging gerade über den Hof. Schäfer ging zu dem sogenannten Flip - das ist die Stelle, wo die Telefone und die Überwachungsanlagen sind - und sagte zu mir:

Komm mal schnell mit. Wir gingen hinauf, und dann wurde noch Herr Schmidt gerufen; die anderen wurden hinausgeschickt.-Wenn besondere Telefonate und Funkgespräche stattfinden, dann werden die jungen Männer, die da drin sind, manchmal hinausgeschickt. Nun begann das Gespräch mit Santiago, um ihn zu suchen und festzustellen, wo er war. Auf Grund der guten Verbindungen konnten wir uns sofort mit leitenden Stellen am Flughafen in Verbindung setzen und hatten schnell heraus, mit welcher Maschine er geflohen war. Aber er war weg. Dann wurde

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Frau Matthusen ins Clubzimmer ins Frei-Haus gerufen. Ich sollte kurz mit ihr sprechen; auch Herr Schäfer kam nach wenigen Minuten dazu. Die Hauptfrage an Frau Matthusen war, wie später auch an meine Frau, ob sie etwas davon gewußt habe und wo denn die Gründe liegen könnten. Sie fing an, bitterlich zu weinen und sagte, sie könne sich nur denken, daß Alfred, ihr Mann, es nicht mehr ertragen habe, daß sie über so viele Jahre hätten getrennt leben müssen. Er kommt nur am Wochenende, und zwar spät, von Santiago nach Hause. Dann haben sie höchstens die Möglichkeit, in der Bäckerei hinter dem Backofen ein Lager zu finden. Morgens um 4 Uhr kommen schon die Leute, die in der Bäckerei mit der Arbeit beginnen. Dann müssen sie also schon wieder verschwinden. Es darf auch nicht gesehen werden, daß sich die beiden Verheirateten - sie hatten ja auch schon vier Kinder - da zusammen als Eheleute bewegen; auch das Thema werde ich gleich noch berühren.

Dann sagte Herr Schäfer nur: Warum hat er denn nichts gesagt?-Das ist übrigens eine ganz abscheulich ausweichende und unwahre Reaktion. Die gleichen Worte hat er mir gesagt; die gleichen Worte hat er den Packmors gesagt. Hinterher haben sie bis zu meiner Flucht, bis 1984, doch immer noch kein Zimmer gehabt.-Das gab Frau Matthusen als vermuteten Grund an, weshalb er geflohen sei.

Er ist dann von Madrid aus wieder nach Siegburg gegangen und war einige Monate dort. Auch das war bezeichnend: Als Herr Matthusen bereits in Siegburg bei Herrn Schaak war, sagte Herr Schäfer so nebenbei: Wißt ihr auch schon, daß der Tokaju - so wurde der Alfred genannt - bei dem Alfred Schaak in Siegburg ist? Das stellte er so hin, als ob er dahin geschickt worden wäre oder plötzlich freiwillig dahin gefahren wäre. Die Tatsache, daß er geflohen war, und diese ganzen Zusammenhänge sind total unter den Tisch gefallen; denn die Information der Mitglieder ist gleich Null, bzw. wenn sie stattfindet, dann ist sie irreführend.

Einen kleinen nächsten Fall möchte ich nennen, den des Jürgen Szurgelies, und zwar deshalb, weil ich von Santiago aus per Funk miterlebte, wie Herr Schäfer das ge-

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steuert hat. Der Junge war über den Fluß geflüchtet.
(Abg. Duve (SPD): Wie alt?)
- Das kann ich Ihnen nachher sagen; ich habe das Geburtsdatum jetzt nicht hier.

Dann bekamen wir in Santiago die Nachricht, und es kam per Telefon die Anweisung, sie sollten sich, nachdem sie die Spur hatten und wußten, in dem Haus ist er jetzt, dem Haus nicht nähern, weil es verboten sei - Hausfriedensbruch -; sie sollten aber sofort die Grünen, d. h. die Polizei, verständigen und mit der Polizei sprechen, daß sie ihn herausholen sollten. Das geschah dann auch. Die Polizei holte ihn heraus. Da gab es viele einzelne Anweisungen bis in die Details. Er wurde von der Polizei ins Krankenhaus gebracht. Er wurde dann nicht geschlagen. Aber seitdem wurde er weiter mit Psychopharmaka behandelt. Er ist zu der Zeit, als ich ging, ein gebrochener junger Mann gewesen, dem man es ansieht. Meistens sind dann die Schultern eingewinkelt, und sie gehen dann ganz gleichgültig einher.

Noch eine Randbemerkung zu einem Fluchtversuch von Gudrun Wagner. Frau Schmidt, die Frau des Präsidenten, hatte der Frau Gudrun Wagner ihren Reisepaß - sie ist Österreicherin -unter irgendeinem Vorwand gegeben. Als Herr Schäfer das erfuhr, wurde Frau Schmidt, die das Büro leitete, auf das allerfürchterlichste ausgeschimpft; ihr wurde der Schlüssel von dem Schrank, in dem die Reisepässe waren, für immer entzogen. Dieser wurde nur noch dem Herrn Dr. Seewald übergeben.

Herr Schäfer greift in allen Dingen, wo ihm irgend etwas begegnet, durch, ohne daß er jemand anderen fragt oder sich bespricht oder sonst etwas.

Jetzt zu etwas ganz Wichtigem, zur Frage der Mißhandlungen. Ich erlebte mit, daß meine eigene Tochter - es ist schrecklich - -

Vors. Vogel: Herr Baar, sicher, aber ich muß ja sehen, daß alle, die heute hierhin gebeten worden sind, die Möglichkeit haben, sich zu Wort zu melden.

(Abg. Duve (SPD): Das ist der zentrale Punkt, Herr Vorsitzender!)

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- Ich bitte, mich nicht zu unterbrechen, wenn ich versuche, die Verhandlung hier so zu leiten, daß wir wirklich auch mit der Zeit hinkommen. Ich habe volles Verständnis dafür, daß Sie umfangreich berichten wollen. Aber wir können unmöglich hier eine vollständige Beweisaufnahme durchführen. Würden Sie bitte versuchen, Herr Baar, das, was Sie noch vorzutragen haben, möglichst konzentriert vorzutragen.

Baar: Ich versuche es.

Ich erlebte mit, wie meine eigene Tochter, die zu der damaligen Zeit 28 Jahre alt war , als ich gerade durch ging, zu Herrn Schäfer gerufen wurde, und ohne daß ein Wort fiel, fing Herr Schäfer an, in gröbster Form mit Fäusten auf sie einzuschlagen. Er schlug sie ins Gesicht, und es war ihm egal, wo er hintraf. Sie fiel zu Boden. Er trat sie mit Füßen. Als sie wieder hochkam, schlug er weiter ein, bis sie in eine andere Ecke fiel. Dann schrie er hinterher: Raus, du Mistvieh! Ich stand da als Vater und sah das alles. Ich wurde gefragt: Warum bist du ihr nicht zu Hilfe gekommen? Oder: Was hast du ihm gesagt, oder was hat er dir gesagt? Er hält es gar nicht für nötig, dann dem Vater oder der Mutter auch nur ein einziges Wort der Erklärung zu geben.

Ich erlebte vor allem den schrecklichen Fall von Peter Rahl mit, den ich hier unter allen Umständen doch schildern möchte, weil es einer der grausamsten Fälle ist. Dr. Hopp hat diesen Fall bis ins einzelne miterlebt. Er hat, bevor der Junge gerufen wurde, noch eine kleine Einleitung gemacht, und zwar daß es sich bei Peter um einen erkrankten Mann handele. Dann wurde er vom Krankenhaus geholt,und als er einige Fragen gestellt bekam, ging es los unter dem Motto: Du lügst! Er hatte irgendeine Äußerung gemacht, und das ganze Drama der Schlägerei begann in fürchterlichster Weise, wie ich es nie vorher miterlebt hatte. Alle schlugen drauf. Bis auf einige wenige Herren von den Älteren, die - sitzenblieben, stand die ganze Gruppe um ihn herum. Wer ihn gerade dazwischen- bekam, schlug ihn, ob ins Gesicht, ob aufs Kreuz, wohin auch

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immer. Er stürzte; er blutete. Schließlich hat man ihn dann hochgezerrt, ins Bad geführt, mit kaltem Wasser ein bißchen abgewaschen und versucht, die Blutspuren wegzuwischen.- Soviel dazu.

Einen Fall im Zusammenhang mit einer Heirat: Eine etwa 4ojährige hatte eine Freundschaft nur durch Gespräche begonnen. Sie wurde zusammen mit ihrer Mutter und noch zwei anderen Damen in das sogenannte Konferenzzimmer gerufen. Nach einem kurzen Wortwechsel schlug Schäfer ihr in Gegenwart ihrer Mutter - auch ich stand dort und ebenfalls Herr Schmidt -links und rechts ins Gesicht. Sie wurde nachher in ihr Zimmer weggebracht.

In diesem Zusammenhang möchte ich einen Satz wiedergeben, der mir unvergessen bleibt. Ich brachte sie dann in dem Wagen zu der Stelle, wo ihr Fahrrad stand. Sie saß im Wagen und weinte. Nur wir beide waren im Wagen. Dann guckte sie zu mir herüber und schrie mich an: Du bist schuld daran, daß ich hier bin. Diese Tatsache, dieser Ausspruch steht für mich für viele, viele andere. Deshalb habe ich auch in meinem persönlichen Wort vorhin darauf hingewiesen.

Ich kürze. Man kann die gesamte Verhaltensweise überhaupt nicht verstehen, wenn man nicht das Stichwort ,Beichte“ mit berücksichtigt, d. h. daß die einzelnen alles aussprechen. Das hat nichts mehr mit Beichte im christlichen Sinne zu tun, denn es geht bis in die Gedankenwelt hinein. Niemand darf etwas haben, was geheim ist. Auf der einen Seite soll jeder alles aussprechen, und spricht jeder alles aus, wird er dadurch schon verwirrt, weil er manchmal nicht mehr weiß, was er noch sagen soll, und klagt sich dabei selbst an. Es gibt keine Heimlichkeiten. Auf der anderen Seite darf man untereinander, d. h. Eltern mit den Kindern oder auch die Arbeitskollegen, über nichts reden, was sich im

- Fundo abspielt, auch wenn es Bagatellen sind, so daß auch die Eheleute nur in gewissem Sinne miteinander reden können, aber nicht über persönliche Probleme; denn das könnte schon wieder zu Konsequenzen führen, weil die zweite These von Schäfer heißt: Wer redet, ist schuldig; wer hört, ist aber noch mehr schuldig. Also wenn ich jetzt meiner Frau etwas

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sage und ihr Gewissen dann dabei anschlägt und sie zu Herrn Schäfer geht und sagt: Ich muß dir sagen, Hugo hat mir das und das gesagt, dann kommt es ungewollt und aus ihrer seelischen Not dazu, daß sie den eigenen Mann bei ihm anklagt. Solche Fälle hat es vielfach gegeben; ich könnte Namen nennen.

Das getrennte Wohnen darf unter keinen Umständen fehlen, weil es das Menschenunwürdigste ist. Sie müssen sich vorstellen: Von den Eheleuten, die 1962 bereits dort waren, haben die ersten 1979 erst ein Zimmer als Eheleute bekommen, außer drei alten Opa-Oma-Paaren; diese hatten etwas vorher ein Zimmer bekommen. Die nächsten bekamen 1980 eines. Die Eheleute mußten sich heimlich irgendwo im Freien oder sonstwo treffen; ich weiß ja nicht, wer sich wo traf.

Noch schlimmer ist es für die, die dort geheiratet haben. Es durften dort überhaupt nur wenige heiraten. Denn auch darüber, ob jemand heiraten darf, entscheidet letztlich Herr Schäfer. Ich darf jetzt keine Einzelheiten nennen; es wird zu lang. Aber diese Leute, die geheiratet haben, haben gewissermaßen heimlich geheiratet, d. h. nur der engste Verwandtenkreis erfuhr es. Das hat bis heute einen Teufelskreis zur Folge. Sie durften sich also nie als Eheleute im Fundo bewegen; sie durften am Tisch nie zusammen als Eheleute sitzen, mit Ausnahme von Dr. Hopp und Frau; sie durften natürlich keine Zimmer haben, denn sie waren ja nicht verheiratet. Wenn das Kindchen erwartet wird, werden die Frauen, sobald man merkt , sie könnten schwanger sein, sofort in einen besonderen Raum gebracht, wo sie dann arbeiten, bis sie entbunden haben. Das Kind kommt dann ins Kinderhaus. Das Kind sagt nachher, wenn es ein bißchen größer ist und Papa und Mama sagen könnte, Tante und Onkel. Zum Teil kennen sich die Geschwister in den ersten Jahren gar nicht einmal. Das sind grausame, unmenschliche Zustände, gerade was auch den ganzen Komplex des Heiratens betrifft.

Zur Postzensur will ich jetzt nichts sagen; vielleicht kommen nachher Fragen. Es ist genügend darüber geredet worden.

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Aber ein letztes Wort, was Herrn Schäfer betrifft. Herr Schäfer läuft nur bewaffnet herum. Ich habe während meines Besuchs bei ihm im Zimmer geschlafen. Seine Pistole liegt nachts entsichert auf dem Nachtschränkchen. Schäfer fährt seit einiger Zeit in einem gepanzerten Mercedes-Jeep, der bis aufs äußerste gegen NATO-Munition gepanzert ist. Er hat einen Sprinter bei sich, der die Tasche mit einer Maschinenpistole und anderen Waffen und natürlich Munition - auch Munition habe ich natürlich seinerzeit entsprechend eingekauft - bei sich trägt. Wenn er abends in sein Zimmer geht, trägt der Sprinter diese Tasche mit ins Zimmer. Der jüngste Sprinter schläft dann auch bei ihm im Zimmer. Morgens trägt er diese Tasche mit den Waffen wieder in seinen Wagen. Die Türen des Waschraums von Herrn Schäfer sind gepanzert. Ich habe ein Gespräch darüber miterlebt, daß auch die Scheiben in seinem Schlafzimmer gepanzert werden sollten; ob das geschehen ist, kann ich nicht sagen, weil ich es nicht mehr miterlebt habe.

Der Mann leidet unter einem großen Verfolgungswahn; deshalb wird auch immer wieder Alarm ausgelöst. Die einzelnen, die in Gruppen eingeteilt sind und entsprechend ihre Waffen haben, werden oft spät nachts je nach Belieben zu einem Alarm, zum Proben usw., gerufen. Alles kreist um den Schutz gegen die Linken, gegen die Kommunisten und Marxisten; das ist die Begründung.

Ich breche hier zunächst ab.

Vors. Vogel: Ich würde vorschlagen, daß wir jetzt zunächst einmal das Ehepaar Packmor hören, um einfach dann diesen Komplex derer, die unmittelbar dort gelebt haben, zusammenfassen zu können.

Ich habe nur die Bitte, so konzentriert wie möglich vorzutragen. Ich weiß, daß es vielleicht eine Zumutung ist, aber wir möchten versuchen, die Zeit, die wir zur Verfügung haben, so intensiv wie möglich zu nutzen.

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Frau Packmor: Zu Ihrer grundsätzlichen Frage, die hier schon genannt wurde, sage ich Ja. Denn ich habe es selbst erlebt, und davon will ich berichten. Ich bitte um Nachsicht und Verständnis, da ich so und in dieser Weise öffentlich noch nie gesprochen habe; es ist das erste Mal in meinem Leben. Aber dennoch und trotz aller Not und allerbitteren Enttäuschung und allem bitteren Erleben ist es mir eine Freude, das in aller Öffentlichkeit zu sagen, was mir in den fünfzehn Jahren Dignidad widerfahren ist und was ich erlebt habe. Auch in meiner Verantwortung als Christ sehe ich als meine Pflichtan, das Zeugnis über meine eigenen schrecklichen Erlebnisse abzulegen, um den Menschen, die jetzt noch da sind und diesem Psychoterror von Schäfer ausgesetzt sind, zu helfen.

Ich habe für lange Zeit auf dem Wächter Nr. 1 und an der Pforte, am Empfangshaus, gearbeitet. Daher kannte ich die krankhafte und - ich möchte sagen - irrwitzige, aus einem Verfolgungswahn heraus geborene Sicherheitsanlage Schäfers, die viele Fundo-Bewohner gar nicht kennen und über die wir, die wir da tätig waren, auch nicht sprechen durften.

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Anmerkung:
die hier gewählten Seitenzahlen entsprechen der Nummerierung im schriftlichen Protokoll. Es gibt bisher keine Anzeichen oder Hinweise, dass Seiten weggelassen wurden.

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Seit Jahren sind der Galpon - das Empfangshaus, das ist für Sie verständlicher - und der Wächter 1 Tag und Nacht besetzt. Alle Beobachtungen - Annäherungen von Menschen, Fahrzeugen, Reitern und Geräusche -, die im Umkreis von Kilometern gemacht werden, müssen Herrn Schäfer unverzüglich in jeder Position gemeldet werden über Funk, Telefon, Tonband.

Die Begründung Herrn Schäfers für dieses System ist, das Eindringen von Kommunisten zu verhindern, wobei unverständlich bleibt, daß auch noch im Fundo, wo schon niemand mehr hereinkommt, signalisierende Lichtschranken, Mikrophone und Stolperdrähte sind.

1970 ging Herr Hartmut Hopp - das war im ersten Jahr nach meiner Ankunft dort innerhalb des Fundos spazieren in Richtung Fasanengarten, der etwas abseits liegt. Herr Schäfer kam zu mir ins Neukra. Der Mercedes hielt; er sprang heraus, hat mit dem Fernglas vom Fenster aus Herrn Hopp beobachtet und über Funk zwei seiner Wächter mit einem Schäferhund nachgeschickt, die ihn dann, ohne gesehen zu werden, beobachten sollten - zeitweise in Bauchlage -, die die Sache ganz ernst nahmen und machten. Das war meine erste Begegnung mit diesem System. Ich wußte damals aber noch nicht, daß Herr Hopp schon geflüchtet und von Argentinien zurückgekehrt war und deswegen immer unter Bewachung war.

1970 war es auch, als Ulrike Mysliwitz - ich schätze, damals etwa 20 Jahre alt - in voller Schweinestallarbeitsausrüstung mit Gummistiefeln in der Winterzeit durch den Fluß nach Travoncura geschwommen ist und dann von dort weiter nach Parral zu Dr. Mujica, einem chilenischen Arzt, der sie dann in seinem Mercedes-Pkw zum Fundo nach Dignidad zurückbrachte. Sie wurde dann im Neukra abgeliefert, in dem ich in der Zeit allein Dienst tat. Weil sie durch die Kälte gegangen war - man befürchtete, sie würde krank werden -, bekam sie dann ein warmes Bad verordnet. Ich mußte ihr dann einen heißen Tee kochen. Ich sah, daß sie voll blauer Striemen auf dem Rücken, an den Oberschenkeln und auf dem Gesäß war. Sie weinte bitterlich, innerlich und äußerlich

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erschüttert, und sagte mir dann, Frau Eva Schaak habe sie so häufig geschlagen - sie hat mit ihr im Schweinestall zusammengearbeitet -, daß es ihr letztlich zuviel geworden sei. Darum sei sie geflohen. Dann hat mir Herr Schäfer telefonisch die Anweisung gegeben, ihr Schreibmaterial ans Bett zu bringen, damit sie aufschreiben könne, was sie bewegt habe zu fliehen, damit sie also ihre Beichte niederschreiben könne.

Ich könnte fortfahren mit Flüchtlingen, deren Fluchtversuche gescheitert sind.

Vielleicht noch ein Fall: Heinz Schmidt, früher Heinz Kuhr, hat mir selber erzählt, daß er es schon zweimal geschafft hatte, bis in die deutsche Botschaft zu kommen, daß er einmal beim Pförtner abgefangen wurde - seine Adoptiveltern, Hermann und Ursel Schmidt, schon hinter ihm her waren und Ursel, seine Mutter, dann furchtbar geweint hat. Er liebte sie und ist aus Liebe zu seiner Mutter zurückgegangen. Um des Vaters willen hätte er das nie gemacht; denn der sei immer kalt und abweisend ihm gegenüber gewesen. Das zweite Mal war er schon in der Botschaft. Wieder kamen die Eltern, haben ihn überredet, haben ihm viele Versprechungen gemacht und haben ihn wieder mitgenommen zurück nach Dignidad.

Seitdem lebt er im Hospital; als völliges Wrack läuft er herum. Ich würde sagen, er kann gar nicht mehr klar denken. Er ist ständig in der Behandlung des Hospitals und hat entsprechende Kleidung. Der Schneidermeister Pöhlchen hat Order, ihm nur entsprechende Anzüge und Oberbekleidung zu geben. Er trägt Schuhe mit einem bestimmten Profil, die ihm nur über die Krankenschwester Maria gegeben werden. Er wird eben als geistig umnachtet von Schäfer verschlissen nach all den Jahren der Behandlung. Er steht immer unter Medikamenten.

Einmal erlebte ich etwas - es war in den 80er Jahren, schon Anfang 1980; ich weiß das Datum nicht genau -, als ich ins Kinderhaus ging. In dem Kinderhaus wohnen die einzelnen Kindergruppen. Da war eine Mädchengruppe, die 10- bis l2jährigen. Ich kam herein und hörte ein furchtbares Geschrei von Herrn

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Schäfer. Er hat ein Sondervokabular, das wert wäre, einmal gehört zu werden. Im Türrahmen stehend sah ich, von der anderen Seite des Flurs kommend, wie er Renate Schnellenkamp -ein zartes Mädchen von etwa 10 bis 12 Jahren-mit den Händen immer ins Gesicht schlug, immer und immer und immer. Was da durch meine Seele ging! Was ich gesehen habe! Aber ich konnte nicht helfen. Dem Kind spritzte das Blut aus der Nase. Schäfer schlug unbarmherzig zu. Ich bin still verschwunden. Hätte ich meine Tränen gezeigt-- Das ist nicht angebracht.

Ich selber habe gelitten, nachdem wir - mein Mann und ich - sieben Jahren getrennt waren. Mir wurde gesagt, als mein Mann nach Chile ging, drei Monate später solle ich nachfliegen. Ich hatte dann noch eine schwerere Operation und vom Arzt die Empfehlung, doch dann nach einigen Monaten zu meinem Mann zu fliegen. Herr Baar hat das nach Chile schriftlich mitgeteilt, blieb aber ohne Antwort. Es durfte nur der nachkommen, der von Schäfer angefordert wurde. Wir hatten über uns, über unser Leben nicht zu bestimmen. Als ich dann nach all den Jahren nach Chile kam, lebten wir noch elf Jahre getrennt unter Umständen, die ich dann einfach nicht mehr ertragen habe. Ich bin 1980 geflohen.

Auf Grund meiner Kenntnis der Sicherheitsanlagen habe ich es geschafft herauszukommen. Herr Schäfer hatte Gebetskreise eingerichtet, die eigentlich die Verlängerung seiner Beichte sind - denn was der Mensch vor Gott sagt, das hat er, hinter der Tür stehend, ausgewertet. Ich habe ihn selber gesehen. Ich bin dann nicht zu diesem bestimmten Kreis, den Herr Schäfer eingeführt und angeordnet hatte, gegangen, sondern bin geflohen. Zum Teil bin ich ohne Schuhe gelaufen; denn es gibt an verschiedenen Stellen Rollkies. Ich wußte, wo die Mikrophone sind; ich wußte, wo die St-Drähte herlaufen. Ich hatte vier, fünf St-Drähte zu durchlaufen. Ich bin zuletzt unter dem Stacheldraht in Bauchlage mit meiner Tasche durch und habe mich so gestellt - wiederum der Platz, den ich kannte -, daß der W 1 keine Einsicht hatte, und bin dann mit einem chilenischen Fahrer gefahren, der mich

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bis nach Parral mitnahm. Von da aus habe ich einen Bus benutzt - ich sprach sehr wenig spanisch; denn die spanische Sprache wird nicht gefördert - und habe dann dem Busfahrer erklärt, ich sei ein deutscher Tourist und hätte kein Geld, und fragte ihn, ob er mich in Richtung Süden mitnehme. Das hat der Busfahrer freundlicherweise gemacht. Ich hatte vorher schon tagelang nichts gegessen.

Vorher wurde ich tagelang von Herrn Schäfer aus meinem Dienst genommen. In der Nacht wurde ich ins Büro heruntergerufen. Er ging dann mit einer ganzen Gruppe - ich schätze, etwa 25 Männern - in mein Zimmer, hat meine sämtlichen Sachen zusammengepackt und hat mir sie dann hinunter ins Büro gebracht mit den Worten: Das hat das Weib alles gestohlenl Das waren meine persönlichen Sachen, die ich besaß, zum Teil noch aus Deutschland mitgebracht,und das, was ich da bekommen hatte. Ich hatte nichts Gestohlenes.Der Grund war: Brigitte Baak hatte gebeichtet, wir - sie und ich - hätten Geschenke von einem deutschen Freund angenommen und hätten sie nicht abgege ben.Denn es istgrundsätzlich so, daß, wenn jemand etwas geschenkt bekommt, er es abzugeben hat. Wir taten das nicht. Sie beichtete es; daraufhin wurde mir diese Attacke gemacht.

Über Nacht mußte ich dann mit Schwester Maria und Ingrid Seelbach ins Krankenhaus gehen - ich wußte, was mir blühte -und habe dann nach einigen Tagen des Liegens und An-die-Decke- Starrens diesen Fluchtversuch gemacht, der mir auch geglückt ist. Ich habe aber von meinem Freund aus meinen Mann angerufen, weil es mir sehr schmerzlich war und ich immer wußte, wir wollten uns nicht trennen, trotz aller Machenschaften des Herrn Schäfer. Dann hat Schäfer mit meinem Mann gesprochen und ihn gefragt: Warum ist sie gegangen? Mein Mann hat den Grund genannt: Sie erträgt dieses Getrenntleben und diese Verhältnisse nicht mehr. - Ja, dann laß sie zu dir zurückkommen; bitte Sie, daß sie zu dir kommt. Sie kann bei dir bleiben. - Das war über 100 km außerhalb des Fundos. Das habe ich gemacht, ich bin mitgefahren. Wir sind am nächsten Tag schon morgens um 4 Uhr in diesem Ort, in Litral, an dem

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Steinbruch von Dignidad, angekommen. Am nächsten Mittag war ein Flugzeug da - es ist unmittelbar am Haus der Flugplatz -, in dem Herr Schmidt, Herr Hartmut Hopp und die Rote-Kreuz-Schwester Ingrid Klunk, eine der vertrauten Schwestern Schäfers, waren, die mich dann mit Gewalt wieder ins Fundo zurückholten. Ich weigerte mich. Darauf Herr Hopp: Noch ein Piep von dir, und du kriegst eine Spritze und weißt nichts mehr! und zückte sein Etui. Ich war still. Ich wollte ins Flugzeug einsteigen, da sagte er: Nein, du hast hier zu liegen! Sie hatten eine Trage mitgebracht. Gegen diese Übermacht - zwei Männer, eine Schwester -konnte ich nichts ausrichten. Ich tat, was er verlangte.

Wir kamen im Fundo an, ich wurde abgeholt und direkt ins Gästehaus, das Herr Schäfer allein bewohnt, gebracht. Da saß ein Team, Frau Dr. Gisela Seewald, Rudi Cöllen und Schäfer. Herr Hopp kam dazu. Dann wurde mir gesagt, Frau Dr. Seewald habe den ganzen Tag meinetwegen Lektüre gewälzt und sei zu dem Entschluß gekommen, daß ich krank sei. Nur so sei die Flucht zu erklären, und zwar hänge das mit meinem Alter zusammen. Laut ihrer Lektüre sei ich krank. Herr Hopp stimmte dem zu. Dann habe ich gebeten, Herrn Schäfer alleine zu sprechen - weil man über Ehe oder Eheprobleme absolut nicht sprechen darf, mit niemandem, außer mit Schäfer -, was er mir dann auch erlaubte.

Ich sagte ihm dann: Ich bin nicht krank. Der einzige Grund, warum ich gegangen bin, ist, daß das Leben hier mir nicht mehr erträglich ist. Mein Mann kommt wöchentlich oder vierzehntägig einmal nach Hause. Wenn die Auswärtigen am Samstag abend nach Hause kommen, ist sofort Herrenversammlung. Da geht der Lautsprecher.-Er konnte mich nicht einmal begrüßen. Wir wollten uns sprechen. Dann bin ich bei Nacht über das Feld gegangen und habe in einem Lkw gesessen. Ich habe ihm vorher noch ein Zettelchen zugeschoben: Ich erwarte dich da und da. Das war im Winter, im Sommer, bei Nacht, bei jedem Wetter. Das ging elf Jahre lang . Dann kam mein Mann. Wir konnten uns begrüßen. Das war dann meist morgens

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gegen drei, vier Uhr. Dann ging jeder wieder in seine Behausung, in sein Zimmer, wo er mit einigen anderen schlief. Das war unser Leben und unsere Ehegemeinschaft. Das habe ich nicht mehr ertragen. Das habe ich ihm dann deutlich gesagt.

Noch kurz den Schluß dieser Sache. Herr Schäfer sagte dann wie immer sehr freundlich, väterlich: Hättest du mir das nur einmal gesagt, dann hättet ihr schon längst ein Zimmerchen. Aber von dem Tag an hat es dann noch genau ein Jahr gedauert, bis wir ein Zimmer bekamen. Er sagte, er würde das mit meinem Mann regeln, um mich wieder abzuschieben. Ich sollte zurück ins Krankenhaus.

Ich bin dann wieder zurück ins Krankenhaus gekommen, durfte dann dort arbeiten und fühlte mich bewacht. Mein Mann wollte mich trösten und sagte es ist nicht so schlimm; ich denke, du bildest es dir ein. Daraufhin habe ich Proben gemacht. Wenn ich mich innerhalb des Fundos 100, 200 m entfernte, ging die betreffende Aufsichtsperson, die im Neukra war, ans Telefon und sagte: Die Patientin fährt ab. Kam ich am anderen Ende an, habe ich wieder beobachtet, wer hier derjenige ist, der jetzt die Aufsicht hat, und guckte nur, wer zum Telefon ging: Patientin angekommen. So ging das laufend innerhalb dieser paar hundert Meter Umkreis.

Dann habe ich beobachtet und wußte, daß ich auch nachts unter Kontrolle war. Das Haus, in dem ich dann mit Ingrid Seelbach, der Hebamme dort, zusammen in einem Raum schlief, wurde nachts verschlossen. Alle Schlüssel waren abgezogen, selbst in den Wandschränken im Flur waren alle Schlüssel abgezogen. Das hat mich stutzig gemacht. Mein Mann bekam dann einen Schlüssel, er dürfe mich dort besuchen. Wenn er abends nach Hause kam, hat man ihm einen Hausschlüssel ausgehändigt.

Dann bin ich bei Nacht durch das Waschraumfenster gestiegen - da war ein größerer Waschraum -, bin einige Meter dahin gelaufen, wo, wie ich ahnte, die SDs. sein könnten. Dann bin ich schnell wieder zurück durch das Fenster ins Haus hineingestiegen und habe hinter der Scheibe gewartet,

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was sich tut. Es kamen die Schäferhunde, Karl van den Berg mit seiner Mannschaft und haben das Haus umzingelt; die Hunde haben alles abgesucht. Es war alles still. Ich war wieder im Bett. Das habe ich mehrmals versucht.

Dann habe ich mir am Tage die Stelle gesucht, wo die Drähte geschaltet werden - am Tag wurden die Wege dann geöffnet -und wo die Tore zur Nacht geschlossen werden, immer an Hand dieser Stolperdrähte, und habe das alles gefunden. In der Dämmerungszeit werden der SD um das Haus herum und die Sicherheitsanlage geschlossen. Ich bin dann hingegangen und habe. den jungen Mann getroffen, der die Sache bedient hat, der sehr erschrocken war, weil er das unter allen Umständen niemanden wissen lassen darf. Er sagte dann: Du weißt ja sowieso Bescheid, du bist ja vom Fach. Er errötete und sah mich bittend an, also: Sprich bitte nicht darüber! Für mich war es nur die Bestätigung.

Ich möchte hier schließen; denn es ist ein Thema ohne Ende.

Georg Packmor: Zu der Frage ein klares und unmißverständliches Ja. Wenn aber nur diese Unfreiheit, diese Gefangenschaft wären, weil das Wohngelände mit einem 2,20 m hohen Zaun und außerdem mit einem Maschendraht von einem Meter umgeben ist - das sind 9 Stacheldrahtdrähte -, wenn das Gelände nur mit elektrischen Sicherheitsanlagen, Lichtschranken und Stolperdrähten ausgerüstet wäre, die alle in die Zentrale melden, wenn nur Wächter, mit Kameras und Funk ausgerüstet, Tag und Nacht Wachen halten würden, wenn nur bewaffnete Kommandos mit dressierten Hunden und mit Spezialfahrzeugen und Infrarot durch die Nacht fahren wurden, dann wäre das alles noch irgendwie zu bewältigen. Wenn sich dann zwei eins wären, könnten sie verschwinden, könnten sie fliehen.

Was aber viel schlimmer ist, ist das Beichtenmüssen, kein Geheimnis haben zu dürfen, die Gefangenschaft, die absolute Abhängigkeit, innere Gefangenschaft. Es ist so schwer zu erklären;

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vielleicht verstehen Sie mich. Keiner wagt, an Flucht zu denken oder zu gehen, zu fragen sowieso nicht; er wird dann sofort beschattet. Alle Heimlichkeit muß Herrn Schäfer gebeichtet werden. Wir haben keinen Ausweis, wir haben keinen Reisepaß, wir haben kein Familienbuch. Unser Familienbuch wurde gebraucht, weil wir einen Jungen adoptiert haben. Wir haben danach gefragt, um es wieder zu bekommen. Uns wurde gesagt: Nein, es ist auf dem Gericht liegengeblieben; das bekommen wir nicht wieder. Gelogen, freiwegl Aber alles, was die Bedeutung eines Dokumentes hat, wird zurückbehalten.

Wir haben keine Krankenversicherung, wir haben keine Altersversorgung. Das alles sind Dinge, die, wenn man sie so daherredet, vielleicht nicht so viel sind, aber dann, wenn man sich damit beschäftigt, wenn man jetzt wieder neu anfängt. Als wir hinausgingen, hatten wir nicht einen Pfennig.

Inzwischen werden Parolen von Geldmitnehmen und Wagen- stehlen und so verbreitet. Aber wir wissen ja, wie diese Sache gemacht wird. Da werden alle Leute zusammengerufen, und jeder muß etwas sagen. Wehe, da ist einer, der nichts sagt. Er wird dann schon von der Seite angeguckt: Na, und du? Hast du mit diesem Mann nichts gehabt?-Na ja, dann quetscht jeder etwas heraus. Dann gibt es Hirngespinste. Da spinnen sie sich was zurecht. Die Dinge lassen sich alle gut belegen, widerlegen. Sie sind aber erst einmal in der Luft und werden wie Federn verstreut.

Eingehende Post wird kontrolliert - das wurde schon gesagt -, ausgehende sowieso; sie muß offen abgegeben werden. Die Familien leben getrennt. Das sind alles Dinge, die Sie schon gehört haben. Wenn das Abendessen oder sonstige Zusammenkünfte beginnen, wird das durch die Lautsprecheranlage angesagt. In allen Arbeits-, Schlaf- und Wohnräumen sind Lautsprecher. Das ist alles sehr komplett. Es kann abgehört und gesprochen werden. Also überall wirst du gesehen und gehört.

Dann kommen sie alle an. Die Gruppenbosse melden zunächst einmal die Anwesenheit, bei den alten Omas angefangen. Die müssen

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sen sagen: Unsere Omagruppe ist komplett vertreten, oder: Es fehlt eine; dann wird gesucht. Es darf keiner krank in seinem Bett liegenbleiben, es darf keiner irgendwo alleine sein. Er wird dann begleitet oder verfolgt, oder er muß ins Hospital und muß behandelt werden.

Es gibt einen politischen Vortrag einmal in der Woche. Er ist so zugeschnitten, daß die ganze Welt um uns herum nur von Terrorismus beherrscht wird; wir werden von allen Seiten angegriffen. Das alles ist der Horror und die Angst, die aus diesem Herrn Schäfer sprechen.

1963 kam mein Vater nach Chile. Er war damals 61 Jahre alt. Es hat ihn sehr befremdet, daß Herr Schäfer zu dieser Zeit nur nachts auftauchte. Am Tage war er nicht da. - Die meisten Leute wissen nämlich all die Sachen nicht, daß er eigentlich tot war. Das wußten sie ja gar nicht. Ihnen wird ja nichts gesagt, keine Informationen. Deshalb sind sie zum Teil auch so treu zur Stange, weil sie viele Dinge gar nicht mitbekommen. - Mein Vater hat sich darüber und auch über das Verhältnis mit den kleinen Jungen gewundert und hat ihm das dann gesagt. Herr Schäfer schlief bis zu der Zeit, wo wir weggingen, noch immer mit einem oder zwei kleinen Jungen im Zimmer. Er hat ihm das dann gesagt und dann hat er ihm geantwortet: Wieso?

Seit der Zeit wurde mein Vater beschattet. Er entdeckte im Bett seines Zimmernachbarn ein Mikrophon. Ihm wurde vorher - das hat er gemerkt - auch glatt gesagt, was er alles zu seinem Zimmerkollegen, dem Vater von Herrn Bohnau, gesagt hatte. Da sagte er: Da stimmt doch irgend etwas nicht. Und: Er hatte ein Mikrophon.

Mein Vater hat sich dann auf den Weg gemacht. Ohne mir etwas zu sagen, ist er gegangen. Ich wurde hinterhergeschickt - wie bei anderen Fluchtversuchen auch - und mußte sofort mit dem Zug nach Santiago fahren und dort von einem Zeitungskiosk aus die Botschaft beobachten, ob er da herauskommt und wie man ihn am besten kriegen könnte; denn er ist zu einem katholischen Priester geflohen. Der hat ihm geholfen, in die Botschaft zu kommen.

(Abg. Duve (SPD): War das Pater Starischka?)

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- Nein, nicht Pater Starischka; das war Pater Vetterlein. Das war ganz in der Nähe der Kolonie . Er ist mit dem Fahrrad dahin gefahren.

Er ist dann nach Deutschland zurückgekommen,

(Frau Packmor: Nach Siegburg!)

- ja, er ist nach Siegburg gekommen -, wurde hier ganz doll empfangen und wurde neu eingekleidet. Er wurde ruhig gehalten, damit er ja nicht irgend etwas gegen die Kolonie sagte. Das hat mein Vater dann auch getan. Nach kurzer Zeit hatte er schon Geld gespart und hatte es auf das Konto in Siegburg gegeben. Herr Schaak hatte eine Unterschriftsberechtigung. So wurde das langsam wieder zurückgewickelt, bis wir zurückkamen und ihn gefragt haben: Wieso denn in Siegburg ein Konto, wenn du in Gronau wohnst? Dann hat er das Geld zurückgefordert und hat es auch bekommen.

Um es kurz zu machen: Herr Horst Münch - etwa 50 Jahre alt - ist 1976 aus dem Fundo geflohen.

Vors. Vogel: War er damals 50 Jahre alt oder jetzt?

Georg Packmor: Damals. - Er hat sich bei einer Zahnärztin in der Nähe der Steinbrecheranlage aufgehalten. Ich wurde geschickt, ihn zu suchen, weil man ihn dort vermutete, da er vorher in der Steinbrecheranlage als Elektriker gearbeitet hatte und er diese Frau kannte. Er ist dann aber zurückgekommen. Er war mit der Frau beim Konsul in Concepcion, aber sie konnten ihm nicht helfen, weil er keinerlei Papiere bei sich hatte. Er ist zurückgekommen. Sein Bruder, der auch Schlosser in der Anlage war, mußte ihn dann ausfragen, was er denn alles so erlebt hatte. Dann war er nur noch im Krankenhaus und wurde speziell behandelt.

Die Sache mit Jürgen Szurgelies habe ich auch noch direkt erlebt. Ich wurde gebeten zu helfen; Jürgen Szurgelies - der etwa 25 Jahre alt war - zu suchen. Ich wurde über Funk gebeten. Er wurde dann aber schon gefunden. Er wurde von der Polizei aus dem Haus geholt und zurückgebracht,

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aus den Haus einer Frau, die Concepcion Gutieres heißt. Weil aber die Frau der Kolonie nicht so freundlich gesonnen war, hat man das nur per Polizei gemacht; man hat sich da nicht herangetraut.

Ein Junge, ein Chilene, namens Ricardo - etwa 20 Jahre alt - wurde in einem Kasten von einem Reserverad für einen großen Lkw-Anhänger gefunden, der am nächsten Morgen herausfahren sollte. Der Beifahrer hat aber vorher noch alles kontrolliert und fand den Jungen da drin. Er wurde also vorher gefunden.

Herrn Dr. Hopp habe ich von der argentinischen Grenze abgeholt, nachdem er nach Argentinien geflüchtet war. Ich hatte den Auftrag, ihn zurückzuholen.

Peter Rahl - diese Geschichte ist so grausam. Sie ist eigentlich der Grund, weshalb wir nicht mehr bleiben konnten. Wir mußten sagen, was da passiert. Dieser Peter ist mein Neffe. Er schreibt jetzt aber als Bestätigung für meine Schwester, die schmutzige Briefe gegen mich schreibt, Dinge gegen mich. Es ist so verdreht. Was sollen die Leute machen? Sie müssen diesem Schäfer hörig sein. Sie sind in einer Zwangsjacke.

Das ist das, was ich sagen wollte.

Vors. Vogel: Herr Dr. Hopp, Ihr Name ist hier jetzt einige Male erwähnt worden. Vielleicht sagen Sie auch etwas über diese Private Sociale Mission in Siegburg und über das Verhältnis zur Colonia Dignidad, wenn es möglich ist.

Dr. Hopp: Zu der von Ihnen anberaumten Anhörung über die Frage ,Befinden sich deutsche Staatsangehörige unfreiwillig und unter menschenrechtsverletzenden Bedingungen in der Colonia Dignidad in Chile?“ darf ich Ihnen zunächst einmal einige grundsätzliche Bemerkungen und Informationen unterbreiten.

Die Bezeichnung "Colonia Dignidad“, falls sie sich auf die von mir im Augenblick vertretene Gesellschaft bezieht, ist von der Presse erfunden. Meines Wissens gibt es keine

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private oder öffentliche Institution mit einem solchen Namen in Chile. Die Sociedad Benefactora Dignidad mit Sitz in Villa Baviera, Gemeinde Parral, ist eine Körperschaft des chilenischen Privatrechts, deren Statuten durch Regierungsdekret Nr. 3949 vom 21. September 1961 anerkannt wurden, wodurch sie gleichzeitig die Eigenschaft der juristischen Person erhielt.

Die Gründung unseres Werkes geht auf den Anfang der 50er Jahre zurück, als sich bei der Hilfe für die notleidende Kriegsjugend- Kinder von Gefallenen, Verschleppten, Ausgebombten und Invaliden- einige Personen zusammenfanden, um gemeinsam diese Herausforderung im Rahmen ihrer Möglichkeiten anzunehmen. Unter aufopferndem persönlichem Einsatz und mit der praktischen und finanziellen Hilfe von zahlreichen Freunden wurde das erste Jugendheim in der Nähe von Siegburg aufgebaut. Ende der 50er Jahre waren durch die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik viele der materiellen Mängel und Kriegsfolgen behoben und soziale Mißstände unter Kontrolle gebracht. Die einstigen Gründer der Jugendarbeit zusammen mit zahlreichen Mitarbeitern, die aus den ehemaligen Betreuten des Werkes nun als Mitträger hervorgingen, entschlossen sich, ein neues Arbeitsfeld zu suchen, das sie endlich in Chile fanden. Hier wurde die Sociedad Benefactora Dignidad in ihrer jetzigen juristischen Form gegründet.

Alle derzeitigen und ehemaligen Mitglieder der Sociedad Benefactora Dignidad haben ihre Mitgliedschaft auf der Basis einer völlig freien Entscheidung angetreten, die sie ohne jeglichen Druck und in klarem Bewußtsein der sie erwartenden Aufgaben, Rechte und Pflichten gefällt haben. Alle haben sich in den ersten Jahren des Bestehens für eine Form des Zusammenlebens entschieden, deren erstes und oberstes Ziel die Hilfe für Bedürftige und Notleidende ist. Zweites und ebenso wichtiges Ziel ist die gegenseitige Unterstützung und Hilfe, besonders ausgerichtet auf die Kinder der einzelnen Mitglieder, die der Gesellschaft angehörenden Kinder und Jugendlichen sowie die alten und invaliden Menschen.